Einst trug sich zu, dass ich eingeladen wurde, in einer Gemeinde im Zürcher Oberland die Festrede zum 1. August zu halten.
Eine hochinteressante Erfahrung!
Ob als Steilvorlage für jene, die selbst vor einer solchen Herausforderung stehen oder einfach als Gedankenanstoss für interessierte Zeitgenossen: Gerne stelle ich Ihnen die Rede im Mundart-Original und als deutsche «Übersetzung» im pdf-Format zur Verfügung (siehe unten).
Und freue mich auf Ihre Kommentare, Ergänzungen, Worte der Zustimmung oder der Widerrede.
1. August-Rede
Im Original vorgetragen von Patrick Zanini am 1.8.2017.
Ich bin de Patrick und ich bin iglade worde, da und hüt e chlini red z’halte. Zum 726. Geburtstag vo de Schwiiz – hochofiziell. Was mich gnau gritte hät, dass ich zuegseit han, weissi au nüme so gnau. Und werum diä wo mich iglade gmeint händ, ich segi dadefür g’eignet, isch mir no schleierhafter. Ich hoffe jedefalls, dass sie ihri Entscheidig nöd in chürzi werded bereue.
Mer hät mir nur uf de Wäg gäh, es selli erschtens uf kein fall z’lang gah und zweitens nöd allzu politisch si – ich versprich, es wird churz und schmerzlos. Demit mer euis nachher de wesentliche Sache chönd zuewände – em grill, de musig und em gmögige zämesii.
Die stärchschti Emotion, wo ich gägänüber de Schwiiz han – und bsunders grad jetzt, bi minere erschte 1. Auguscht-Red: Was für es verdammts Glück, dass ich dörf Schwiizer si und da mini Heimat han! Es Glück darum, will ich ja au hett chöne ganz irgendwo andersch ufd Wält cho. Und mich i mim Alltag jetzt nöd öppe euisi Luxusproblem würded beschäftige – z.B. was ich a dere Red verzele, sondern möglicherwiis existenzielli Fraage, wo tagtäglich as Igmachte gönd.
Jetzt bin ich – scho wieder zum Glück – weder Politiker noch Verchoifer, mues eu also hüt nüt atreiä und befinde mich au nöd im Wahlkampf und mues eui Honig ufs Brot striche. S’einzig halbwägs offizielle Amt, wo ich bechleide, isch, dass ich Presidänt bin vo de Gmeinnützige Gsellschaft vom Bezirk Hinwil, de GGBH. Und das isch gnueg harmlos und unbedütend, dass ich da und hüt eifach chan drüber verzelä, was für mich persönlich d’Schwiiz isch.
Für mich isch d’Schwiiz mal zerscht de Ort uf däre Wält, wo ich mini Wurzle han: wo ich ufgwachse bin, woni id Schuel bin, wo mini Familiä läbt. Mini Familiä isch rächt en eigne Fall: Mini italiänischi Nonna – d’Mama vo de Mama – isch us Norditaliä igwnaderet und min Vater isch au Usländer, er isch nämlich usem Glarner Ziegerschlitz über Umwäg is Oberland cho.
Usserdem hani 5 grossartigi jüngeri Halbgschwüschterte us verschiedene Konstellatione, e Zweitmama, en Zweitpapa us Dütschland und mini Fründin isch halb Polin, halb Grächin – e grossi Patchwork-Familiä also, wo zum Glück beschtens funktioniärt!
Wärum ich das verzelä? Will für mich s’Gfühl und d’Verbundeheit mit de Familiä und Fründe vill demit z’tue hät, was für mich d’Schwiiz bedütet und usmacht.
D’Schwiiz isch für mich im Chärn e ebeso eifachi, wiä aspruchsvolli Idee: Mer isch fürenand da. Mer lached und gnüsst zäme. Mer seit sich ehrlich d’Meinig, loset sich zue, stritet au mal, schlüsst grosszügig wieder Fridä mitenand. Mer nimmt enand wiä mer isch. Mer schlaht niä e Türe ganz zue – au wänns mal richtig fätzt. Mer hilft nach Chreftä, wänn öper Hilf nötig hät. Mer laht sich aber au in Rueh, gaht enand nöd unnötig uf de Wecker; Läbe und läbe lah. All das isch für mich im Grund die funktioniärend Idee vo de Schwiiz: Mer lueged zunenand.
Machemer euis nüt vor – im Detail händ mir warschindli all chli verschiedeni Uffassige devo, was gnau bsunders «schwiizerisch» isch. Im Grosse ganze gits aber es paar Elemänt, wo wohl de meischte in Sinn chunnt – egal wo politisch verortet, ob Dütschschwiizer oder Franzos – äh sorry, Romand natürlich, ob jung oder alt.
Ironischerwies isch es ja en dütsche Dichter gsi, wo ines paar wenige Wort einiges vo dem uf de Punkt bracht hät, was euis bis hüt i de Schwiiz wichtig isch. Im Wilhelm Tell vom Friedrich Schiller besiegled die drü Eidgenosse ihre Bund ufem Rütli mit folgende Wort:
Wir wollen sein ein einzig Volk von Brüdern
in keiner Not uns trennen und Gefahr
Wir wollen frei sein, wie die Väter waren
Eher den Tod, als in der Knechtschaft leben.
Natürlich sind diä Wort eso niä gschwore worde – sondern sind die dramatisch Zuespitzig vomene grosse dütsche Dichter. Aber das isch es anders Thema…
Wir wollen sein ein einzig Volk von Brüdern; das zügt vom Wunsch nach Glichheit vo de Mänsche, dass sich keine über de ander erhebe söll ufgrund vo Richtum, Herkunft oder Amt. So näbebi: zum Glück sind ja sit bald 50 Jahr nöd nur d’Brüedere ganzi Schwiizer, sondern au d’Schwöschtere. Da hämmer halt wieder mal chli e langi Leitig gha…
Mer luegt ufenand, mer isch fürenand da. Öpis witers Schwiiz-spezifischs wist uf das hi – die offizielli dütschi Bezeichnig vo de Schwiz isch «Schweizerische Eidgenossenschaft». Das isch es Unikum – die meischte Länder füered d’Republik i ihrem Name, dänn gits no es paar «Vereinigti Staate» und e ganzi Schwetti Königrich, Fürstentümer und Emirate. Aber en Staat, wo sich Gnosseschaft nännt, gits mines Wüssens nur eimal uf däre Wält.
Teil vonere Gnosseschaft wird mer – als Genosse, oder chli moderner und weniger politisch: als Mitglied, als Kamerad – will mer zäme und glichberächtiget will es Ziel verfolge. Es Ziel, womer elei nöd chan erreiche, zäme aber scho. Das heisst de Gnosseschaft wohnt e zutüfscht ethischi Grundhaltig inne: Nämlich, dass mer für ali möglichscht s’Beschte erreicht, nöd nur für sich.
D’Gnosseschafte als Organisationsform hät i de Gschicht vo de Schwiiz und bis hüt e sehr grossi Bedütig. Ich vermuete es git fascht keis Land, wo vom gnosseschaftliche Gedanke so durchdrunge isch wiä die Schwizerisch Eidgenosseschaft. Fasch i jedere Gmeind gits Wohnbaugnosseschafte; die 2 gröschte Detailhändler sind ebeso Gnosseschafte wie wichtigi Regionalbanke.
Gmeinsam zäme es Ziel verfolge heisst, ich mues mich chöne uf die andere Gnosseschafter verlah, ihne vertraue – dass au sie ihre Biitrag zum gmeinsame Aliege leischted. Alli wüssed: Nur zäme chömmers schaffe, zäme simmer starch.
E Gnosseschaft isch also Usdruck vonere grosse gläbte Solidarität. Mer lueget zunenand, mer isch fürenand da.
No öpis witers macht für mich d’Schwiiz us – und nöd nur für mich, da bini sicher: D’Freiheit. Die frei Meinigsüsserig, s’freie Dänke, s’freie Handle, s’freie wähle, s’freie beurteile, öb öpper en chabis uselaht oder nöd.
Bim Schiller und de Eidgnosse isch das nochli dramatischer dehär cho – mir händs ghört:
Wir wollen frei sein, wie die Väter waren
Eher den Tod, als in der Knechtschaft leben.
Liäber Tod, als Chnächtschaft – starchi Wort. Jetzt hämmer zum Glück hüt chli anderi Verhältnis, und mir sind zum Glück i de Schwiiz sehr privilegiärt und zimli frei. Für mich bedütet Freiheit v.a. eis: Sälber Verantwortig übernäh. Nöd drüber jammere, dass dieses oder jenes nöd passiärt oder druff warte, dass es öper andersch macht.
Au de Gedanke isch i de Gnosseschaft verankeret. Nöd nur Solidarität, sondern au Sälbschtverantwortig – das isch nämlich kein Widerspruch. Sälber sich organisiäre, gmeinsam nach Wäg sueche, wiä mer zum Ziel chunnt, sich defür isetze, sich nöd beirre lah.
E Gnosseschaft isch aber au Usdruck vo gläbter Demokratie. Wichtigi Entscheid wärded zäme gfällt, glichberächtiget. Jedes Mitglied hät genau ei Stimm, kein Grossaktionär und kein Mehrheitseigner wo bestimmt, wo’s dure gaht.
Will ali Gnosseschafterinne und Gnosseschafter glich viel z’säge händ, sind Offeheit, Ehrlichkeit und Respäkt d’Grundvorussetzig fürs Funktioniäre vo de Gnosseschaft. Mitenand rede, Meinige ustusche und anderi Meinige respektiäre, lärne und chöne verlüre – ohni das gahts nöd.
Fürenand da si, ufenand luege – oder ebe: Solidarität, Sälbschtverantwortig, Demokratie, Glichberächtigung, Offeheit, Respäkt. Das sind für mich die zentrale Wärt, wo d’Schwiiz usmachet. Ich bin ziemlich sicher, dass au ihr alli eu chönd sälbschtverständlich zu dene Wert bekänne – ja vilicht sogar würded dadruff en Eid ablegge. Aber Achtung – mit so Schwur isch es sone Sach…
Mir müend euis nämli sälbschtkritisch fröge, öb mir dene Wärt dänn au immer gnueg nahläbed? I de Familiä, im Bruef, i de Gmeind – i eusem tägliche Läbe? Vilicht wär das min Wunsch zum hütige Geburtstag vo de Schwiiz – dass mer euis nöd nur hüt über diä Wärt besinned, sondern au die reschtliche 364 Täg.
Als Presidänt vo de Gmeinnützige Gsellschaft bin ich regelmässig mit Mänsche us eusere Region und ihrne schwierige Schicksal konfrontiärt, wo ächt under d’Huut gönd und mich nachdänklich mached. Es isch au ganz nöch bi euis nöd ales Gold was glänzt.
Und wänn ich Ziitig ufschlah, dänn gsehn ich sälte Erbaulichs: politischi Grabekämpf mit kriegerischer Rhetorik, Häme, Usgränzig, Stumpfsinn und Unsinn, Riesetheater um Petitesse – alles wenig eidgenössisch, find ich…
Jetzt isch es zwar doch no chli is politische abdriftet, aber hey: Da hockemer doch ali im gliche Boot, als Bewohner vo dem Land.
Jetzt bin ich ja no relativ jung und überzügte Optimischt – ales anderi wär ja au irgendwiä troschtlos. Fürenand da si, ufenand luege. D’Schwiiz isch e funktioniärendi Idee – und sie wird so lang bestah, wiä sich d’Mänsche underand und dere Idee vertraued.
Proscht!
Replik, Verriss, Zustimmung?
Ich freue mich auf Ihre Gedanken!
Und als kleiner Realitäts-Check jenseits der salbungsvollen Worte: Der Link zum sehenswerten Dok des Schweizer Fernsehens zur Geschichte der Schweiz.